Am 19.9.2024 veröffentlichte Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Niedersächsisches Finanzgericht, Auszug aus dem Newsletter 10/2024 vom 19.9.2024
Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Niedersächsisches Finanzgericht lässt Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen zu
Urteil vom 15. Mai 2024 - 9 K 28/23, Revision eingelegt; Az des BFH: VI R 22/24
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hatte in dem Rechtsstreit 9 K 28/23 zu entscheiden, ob Prozesskosten im Zusammenhang mit der drohenden Rückabwicklung der unentgeltlichen Übertragung eines Forstbetriebs als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Der Kläger hatte im Jahr 2015 u.a. einen Forstbetrieb gegen Altenteilleistungen übertragen bekommen. In der Folge beendete der Kläger seine Angestelltentätigkeit für den Betrieb und führte diesen als Selbständiger fort. Im selben Jahr forderte die Übergeberin sodann gerichtlich die Rückübertragung des Betriebs bzw. die Grundbuchberichtigung, weil sie bei Übertragung demenzbedingt geschäftsunfähig gewesen sei. Hiergegen setzte sich der Kläger vor den Zivilgerichten zur Wehr. Die entstandenen Prozesskosten machte der Kläger als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) den Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen im weiten Umfang zugelassen hatte (BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015 = SIS 11 22 60), hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein umfassendes Abzugsverbot für Prozesskosten statuiert. Danach sind Zivilprozesskosten nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige ohne diese Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Das Finanzgericht bejahte diese Voraussetzungen im Streitfall und gab der Klage statt. Der Kläger habe seine lebensnotwendigen Bedürfnisse ganz überwiegend aus den Erträgen des von der Rückübertragung bedrohten Forstbetriebs bestritten. Aus der maßgeblichen Sicht des Jahres der Inanspruchnahme wären dem Kläger im Falle des Erfolges des Rückübertragungsverlangens übrige Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags verblieben. Die Berührung des steuerlichen Existenzminimums erfülle jedenfalls den Tatbestand der Gefahr für die Existenzgrundlage und die Bedürfnisbefriedigung im üblichen Rahmen.
Dem drohenden Verlust der Existenzgrundlage stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger im Falle der Verpflichtung zur Rückübertragung erneut eine Angestelltentätigkeit hätte aufnehmen können. Der Verlust der Existenzgrundlage erfordere keinen dauerhaften Verlust der materiellen Lebensgrundlage. Auch könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, im Notfall die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen zu können.
Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Bezeichnung des Klagebegehrens durch Abgabe der Steuererklärung beim Finanzamt innerhalb der Ausschlussfrist
Urteil vom 15. Mai 2024 - 9 K 151/23, Revision zugelassen und eingelegt, Az. des BFH: X R 20/24
- Hat das Finanzgericht wirksam eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt, kann die Ausschlussfrist nicht allein durch die fristgerechte Einreichung einer Steuererklärung beim Finanzamt gewahrt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896 = SIS 95 21 88; und vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215 = SIS 23 12 57).
- Auch für Schätzungsfälle, in denen der Gegenstand des Klagebegehrens durch Einreichung der Steuererklärung bezeichnet wird, ergibt sich aus der fehlenden Möglichkeit, Steuererklärungen an das Finanzgericht elektronisch zu übermitteln, keine abweichende rechtliche Beurteilung.
- Das Finanzgericht ist nach wirksamer Setzung der Ausschlussfrist - auch nach § 71 Abs. 2 FGO - nicht verpflichtet, den Inhalt weiterer, bis zum Ablauf der Ausschlussfrist allein zur Steuerakte, nicht aber zur Gerichtsakte gelangter Vorgänge zu berücksichtigen.
- Durfte der Kläger mit einer im gewöhnlichen Geschäftsgang rechtzeitigen Weiterleitung seiner beim Finanzamt nachgereichten Steuererklärung an das Finanzgericht rechnen, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.