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BFH: Aktivierung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern

  1. Der Zeitpunkt, zu dem Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren sind, bestimmt sich nach der Vertragsgestaltung im jeweiligen Ein­zelfall. Diese kann an das in § 92 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs geregelte gesetzliche Leitbild anknüpfen, muss dies aber nicht.
  2. Wenn sich aus der maßgeblichen Provisionsregelung ergibt, dass ein Provi­sionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen ledig­lich um Provisionsvorschüsse. Diese sind beim Versicherungsvertreter als er­haltene Anzahlungen zu passivieren und daher zunächst noch nicht gewinnrea­lisierend (Fortführung des Senatsurteils vom 17.03.2010 ‑ X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033 = SIS 10 32 06, Rz 13 f.).
  3. Gegenstand einer Schätzung nach § 162 Abs. 1, 2 der Abgabenordnung können nur quantitative Größen sein, nicht aber qualitative Besteuerungs­merkmale wie ganze Sachverhalte oder Tatsachenfragen.

EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
HGB § 87a Abs. 1, § 92 Abs. 4, § 252 Abs. 1 Nr. 4
AO § 162 Abs. 1, 2

BFH-Urteil vom 30.4.2025, X R 12‑13/22 (veröffentlicht am 17.7.2025)

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom 26.10.2021, 3 K 28/20 = SIS 23 08 06, 3 K 29/20 = SIS 23 08 07

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 2008 und 2010 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger ist als Vermittler für ein Unternehmen (U) tätig, das Finanzprodukte vertreibt. Er hat nach Nr. I Abs. 1 des zwischen ihm und U geschlossenen "Vermögens­berater-Vertrags" die Rechtsstellung eines Handelsvertreters im Sinne der §§ 92, 84 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) und vermittelt im Wesentlichen den Abschluss von Versicherungsverträgen. Seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich.

Nach Nr. IV Abs. 1 des Vermögensberater-Vertrags erhält der Kläger für seine Vermittlungstätigkeit eine ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung in Form von Provisionen im Sinne des § 92 HGB. Für die Vermittlung von Verträgen, bei denen Stornohaftungszeiten zu beachten sind, entsteht der Provisionsan­spruch erst, wenn der geworbene Kunde die nach den Provisionsbedingungen vorgesehene Anzahl an Beiträgen entrichtet hat (Nr. IV Abs. 11 des "Vermö­gensberater-Vertrags" i.V.m. Anlage A Nr. II; entspricht § 92 Abs. 4 HGB). Gleichwohl leistet U für die Vermittlung solcher Verträge auch vor dem rechtli­chen Entstehen des Provisionsanspruchs auf freiwilliger Basis und im Wege der Vorfinanzierung Zahlungen an seine Vermittler, die allerdings laufzeitanteilig zurückzugewähren sind, wenn der vermittelte Vertrag vor Ablauf der Storno­haftungszeit aufgelöst wird. Zur Sicherung der vorfinanzierten Beträge nimmt U einen als "Rückstellung" bezeichneten Einbehalt vor, dessen Höhe sich ‑‑in Abhängigkeit vom erzielten Umsatz‑‑ auf 10 bis 20 % der vorfinanzierten Be­träge beläuft (Nr. IV Abs. 12 des Vertrags). Gutschriften, Belastungen und Zahlungen werden in einem von U für den jeweiligen Vermittler geführten Kontokorrentkonto erfasst. Über Provisionen und deren Stornierungen soll nach dem Vertrag monatlich abgerechnet werden, über die "Rückstellungen" vierteljährlich (vgl. Nr. IV Abs. 12, 13 des Vermögensberater-Vertrags).

In den Jahresabrechnungen über die "Rückstellungen" werden zum einen die sogenannten "erforderlichen Rückstellungen" ausgewiesen. Aus einem Abrech­nungs-Musterformular der U ergibt sich, dass es sich dabei um die nach Nr. IV Abs. 12 des Vermögensberater-Vertrags einzubehaltenden Beträge handelt, die sich rechnerisch nach Maßgabe der vorfinanzierten Provisionen und des vertraglichen Rückstellungs-Prozentsatzes ergeben (vom Finanzgericht ‑‑FG‑‑ als "Soll-Rückstellung" bezeichnet). Zum anderen wird in den Jahresabrech­nungen der Ist-Stand der "Rückstellung" angegeben (Bezeichnung des FG: "Ist-Rückstellung"). Dieser Ist-Stand wird nicht direkt erläutert. Allerdings wird eine "Überde­ckung" (die "Ist-Rückstellung" übersteigt die "Soll-Rückstellung") auf das laufende Kontokorrentkonto umgebucht und steht dem Vermittler dort zur Verfügung. Im Fall einer "Unterdeckung" (die "Soll-Rückstellung" übersteigt die "Ist-Rückstellung") können aus dem Provisionsrückstellungskonto keine Auszahlungen erfolgen, bis wieder eine Überdeckung vorliegt. Das Musterfor­mular enthält einen Hinweis darauf, dass die "Ist-Rückstellung" in der Bilanz des Vermögensberaters zum jeweiligen 31.12. des Jahres zu aktivieren sei.

Für die Jahre 2006 bis 2010 ergeben sich aus den Abrechnungen die folgen­den Beträge:

Stichtag Soll-Rückstellung Ist-Rückstellung
31.12.2006 62.542,13 € 67.274,87 €
31.12.2007 44.480,84 € 46.562,37 €
31.12.2008 69.240,55 € 50.458,81 €
31.12.2009 51.224,17 € 75.022,45 €
31.12.2010 83.413,80 € 58.693,21 €

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, zu welchen Zeitpunkten der Kläger verdiente Provisionen sowie erhaltene Vorfinanzierungen auf künftig entstehende Provisionsansprüche gewinnrealisierend behandelt hat und ob be­ziehungsweise in welcher Höhe er in seinen eigenen Bilanzen Rückstellungen für das Stornorisiko gebildet hat.

Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 hatte der Prüfer zum 31.12.2002 eine Forderung auf Auszahlungen aus dem Provisionsrück­stellungskonto in Höhe von 54.420,74 € gewinnerhöhend aktiviert. Der Be­klagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) wies die Einsprüche gegen die entsprechenden Änderungsbescheide am 09.02.2007 zurück. Die Ein­spruchsentscheidung wurde bestandskräftig. Das FG hat ausgeführt, zwischen den "Parteien" sei unstreitig, dass die in der Prüferbilanz vorgenommene Nachaktivierung in den Folgejahren in der Buchführung des Klägers weder er­fasst noch fortgeschrieben worden sei.

Anlässlich einer weiteren Außenprüfung, die unter anderem die Streitjahre 2008 und 2010 umfasste, vertrat der Prüfer erneut die Auffassung, die auf dem Provisionsrückstellungskonto ausgewiesenen Beträge seien zu aktivieren; maßgebend hierfür sei die Soll-Rückstellung. Während der Einspruchsverfah­ren gegen die entsprechend geänderten Bescheide reichte der Kläger spätes­tens am 13.09.2019 geänderte Jahresabschlüsse für die Jahre 2002 bis 2010 ein, die das FA nicht berücksichtigte. In den Einspruchsentscheidungen vom 19.02.2020 nahm das FA in Bezug auf die Forderung auf Vornahme weiterer Auszahlungen aus dem Provisionsrückstellungskonto die folgenden gewinn­wirksamen Änderungen vor:
– 2008: Einbuchung einer Forderung in Höhe von 69.240 €;
– 2009: Minderung der Forderung um 18.016 € auf 51.224 €;
– 2010: Aufstockung der Forderung um 32.190 € auf 83.414 €.

Der für 2008 aktivierte Betrag entspricht der Höhe nach der zum 31.12.2008 von U ermittelten Soll-Rückstellung; die für die Jahre 2009 und 2010 vorge­nommenen Anpassungen des Forderungsbetrags entsprechen den jeweiligen Änderungen der Soll-Rückstellung gegenüber dem Vorjahr.

Mit ihren Klagen begehrten die Kläger zum einen, die für das Jahr 2008 vorge­nommene Gewinnerhöhung auf die Differenz zum Forderungsbestand des Vor­jahres zu mindern. Insbesondere sei die für das Jahr 2002 in der Prüferbilanz der Vor-Betriebsprüfung vorgenommene erfolgswirksame Nachaktivierung später niemals gewinnwirksam ausgebucht worden. Sie sei nur nicht fortge­schrieben worden. Dies beruhe darauf, dass die Einspruchsentscheidung für das Jahr 2002 erst im Jahr 2007 ergangen sei. Tatsächlich sei das auf dieser Nachaktivierung beruhende Mehrergebnis aber versteuert worden und dürfe daher nicht noch einmal versteuert werden. Zum anderen dürften die Forde­rungen gegen U nur mit dem Ist-Stand des Provisionsrückstellungskontos an­gesetzt werden, da nur in dieser Höhe eine Forderung bestanden habe. Der höhere Soll-Betrag sei nicht maßgebend.

Das FG wies die Klagen ab (zur Entscheidung wegen Einkommensteuer 2008 und 2010 vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2023, 982). Das FA habe Forderungen auf Provisionszahlungen, die den in dem Provisionsrückstel­lungskonto ausgewiesenen Rückstellungen entsprächen, zum 31.12.2008 in voller Höhe gewinnerhöhend ansetzen dürfen. Zwar sei bereits für das Jahr 2002 eine gewinnwirksame Nachaktivierung vorgenommen worden. Ausge­hend hiervon wäre in den Folgejahren richtigerweise nur die Differenz zum Stand des jeweiligen Vorjahres zu berücksichtigen gewesen. Allerdings könne nicht mehr festgestellt werden, ob der Kläger die Nachaktivierung in den Fol­gejahren ordnungsgemäß fortgeführt habe. Jedenfalls die ursprünglichen Bi­lanzen seien nicht an die Nachaktivierung angepasst worden. Die im Jahr 2019 eingereichten korrigierten Jahresabschlüsse seien nicht zu berücksichtigen, weil eine Berichtigung der für die Zeit bis zum 31.12.2007 aufgestellten Bilan­zen wegen der Bestandskraft der entsprechenden Veranlagungen nicht mehr zulässig gewesen sei.

Die Feststellungslast für eine zutreffende Fortschreibung der Nachaktivierung liege beim Kläger, da dieser die Geschäftsvorfälle durch eine ordnungsmäßige Buchführung lückenlos und nachvollziehbar darzulegen habe. Das FA habe daher im Wege der Schätzung die Forderung erstmals zum 31.12.2008 in voller Höhe berücksichtigen dürfen. Für das weitere Streitjahr 2010 habe das FA zu Recht nur noch eine weitere Forderung gewinnerhöhend aktiviert, die der Differenz zu der Rückstellung des Vorjahres entspreche.

Zu Recht habe das FA auch die Soll-Werte angesetzt. Der Kläger habe unab­hängig vom Stornoeinbehalt Anspruch auf die gesamten Provisionen erlangt und hätte diese einschließlich des Einbehalts aktivieren müssen. Dass U auch die Ist-Werte des Rückstellungskontos ausweise, sei unerheblich. Hierbei han­dele es sich um ein Kontokorrentkonto, das offenbar der Abwicklung von For­derungen zwischen U und dem Kläger diene.

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihre Begehren weiter. Ergänzend führen sie aus, entgegen der Annahme des FG diene das Rückstellungskonto nicht der Abwicklung, sondern der Sicherung ausgezahlter Provisionsvorschüsse. Dies hätte das FG durch eine schlichte Rückfrage bei den Klägern klären können.

Die Kläger beantragen,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und den Einkommensteuerbe­scheid 2008 und die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2010, alle vom 24.01.2014, sowie den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 21.02.2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19.02.2020, dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebe­trieb des Klägers für 2008 um 65.343,55 € und für 2010 um 24.720,59 € gemindert wird.

Das FA beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, der Annahme eines Sachaufklärungsmangels in Bezug auf das Rückstellungskonto stehe die erhöhte Mitwirkungspflicht der Kläger entgegen. Im Übrigen schließt sich das FA den angefochtenen Urteilen an.

II. Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

Mit den Grundsätzen, die ‑‑in Abhängigkeit von den jeweiligen zivilrechtlichen Vereinbarungen‑‑ für die ertragsteuerrechtliche Behandlung von Provisionsan­sprüchen bei Versicherungsvertretern gelten (dazu unten 1.), hat sich das FG weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht befasst. Es hat insbesondere die im Streitfall zwischen dem Kläger und U getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig festgestellt, so dass dem Senat eine eigene Entscheidung verwehrt ist (unten 2.). Zu den zwischen den Beteiligten bisher umstrittenen Fragen, auf die es im zweiten Rechtsgang möglicherweise gar nicht mehr ankommen wird, kann der Senat daher nur vorsorglich und in nicht bindender Weise Stel­lung nehmen (unten 3.).

1. Auf der Grundlage der allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze der Ge­winnrealisierung (dazu unten a) sowie der besonderen handelsrechtlichen Re­gelungen über die Entstehung der Provisionsansprüche von Versicherungsver­tretern (unten b) hat die höchstrichterliche Rechtsprechung Maßgaben für die Gewinnrealisierung in Bezug auf solche Provisionsansprüche entwickelt (un­ten c). Soweit danach ein Gewinn bereits realisiert sein sollte, ist bei Provisi­onserträgen, die mit einem Stornorisiko behaftet sind, für dieses Risiko eine entsprechende Rückstellung zu bilden (unten d).

a) Bei Gewerbetreibenden, die ‑‑wie der Kläger‑‑ Bücher führen und regel­mäßig Abschlüsse machen, ist für Zwecke des Betriebsvermögensvergleichs für den Schluss des betreffenden Wirtschaftsjahres grundsätzlich das Betriebs­vermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ord­nungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschluss­stichtag realisiert sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentli­chen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rech­nen kann. Nicht erforderlich ist, dass die Forderung am Bilanzstichtag fällig ist (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 06.10.2009 ‑ I R 36/07, BFHE 226, 342, BStBl II 2010, 232, unter II.2.b aa, m.w.N.). Demgegenüber dürfen auf­schiebend bedingte Ansprüche nicht aktiviert werden (BFH-Urteile vom 26.04.1995 ‑ I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594, unter II., zu 2.b und vom 28.10.2009 ‑ I R 28/08, BFH/NV 2010, 432, unter B.I.2.c bb bbb).

b) Ein Handelsvertreter im Allgemeinen hat gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft aus­geführt hat. Vertragliche Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur in den durch § 87a Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB abgesteckten Grenzen zulässig.

Demgegenüber enthält § 92 Abs. 4 HGB für den Provisionsanspruch von Versi­cherungsvertretern als einer besonderen Gruppe von Handelsvertretern ein anderes Regelungssystem. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsvertre­ter Anspruch auf Provision im Sinne des § 87a Abs. 1 HGB, sobald der Versi­cherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Die Vertragsparteien (der Versicherer und der Versicherungsvertreter) haben es daher in der Hand, durch Anknüpfung an die ‑‑sich gegebenenfalls über einen gewissen Zeitraum erstreckenden‑‑ Prämien­zahlungen auch den Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens des Provisionsan­spruchs hinauszuschieben. Das gilt auch, wenn die Bemessungsgrundlage der Provision nicht die Prämie, sondern die Versicherungssumme ist. Wenn die Provision beispielsweise mit vollständiger Zahlung der ersten Jahresprämie ge­schuldet ist und die Versicherungsprämien monatlich zu zahlen sind, hat der Versicherungsvertreter erst nach Zahlung der letzten Monatsrate für das erste Versicherungsjahr einen Anspruch auf die (volle) Provision (Urteil des Bundes­arbeitsgerichts vom 25.10.1967 ‑ 3 AZR 453/66, BAGE 20, 123, unter II.2.d, e).

§ 92 Abs. 4 HGB regelt das Entstehen des Provisionsanspruchs (Koller/Kindler/Drüen, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 10. Aufl., § 92 Rz 5; MüKoHGB/Ströbl, 5. Aufl., § 92 Rz 24). In Bezug auf die hier nicht maßgeben­de Fälligkeit ordnet der ‑‑mangels einer Spezialregelung auch für Versiche­rungsvertreter anwendbare‑‑ § 87a Abs. 4 HGB an, dass der Provisionsan­spruch am letzten Tag des Monats fällig wird, in dem nach § 87c Abs. 1 HGB über ihn abzurechnen ist.

c) Die BFH-Rechtsprechung knüpft an diese zivilrechtliche Differenzierung an, wobei stets die Vertragsgestaltung im konkreten Einzelfall maßgeblich ist (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.05.2002, Der Betrieb 2002, 1348).

aa) Wenn sich aus der maßgebenden Provisionsregelung ‑‑die gegebenenfalls die Sonderregelung des § 92 Abs. 4 HGB umsetzt‑‑ ergibt, dass ein Provisions­anspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei den etwaigen gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszah­lungen lediglich um Provisionsvorschüsse, die nach § 266 Abs. 3 Abschn. C.3 HGB als erhaltene Anzahlungen zu passivieren sind, also noch keine gewinnre­alisierende Wirkung haben (ausführlich Senatsurteil vom 17.03.2010 ‑ X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033, Rz 13 f.).

Ebenso ist es möglich, zivilrechtlich zu vereinbaren, dass Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern ratierlich entsprechend den einzelnen Prämien­zahlungen entstehen. Auch dann ist im Umfang der rechtlich noch nicht ent­standenen Provisionsansprüche zunächst kein Gewinn realisiert (BFH-Urteile vom 09.10.2013 ‑ I R 15/12, BFH/NV 2014, 907, Rz 15 und vom 29.08.2018 ‑ XI R 32/16, BFH/NV 2019, 259, Rz 9, 27).

Die Aktivierung einer Forderung kommt in dieser Konstellation nicht in Be­tracht. Mangels Gewinnrealisation darf in einem solchen Fall umgekehrt aber auch keine Rückstellung für Stornorisiken gebildet werden.

bb) Der allgemeine bilanzsteuerrechtliche Grundsatz, dass Auszahlungen auf Forderungen, die rechtlich bisher nicht entstanden sind, noch keine Gewinnre­alisierung bewirken, sondern gegenläufig zum Mittelzufluss ein Passivposten für erhaltene Anzahlungen zu bilden ist, gilt bei allen Handelsvertretern, das heißt im gesamten Anwendungsbereich des § 87a Abs. 1 HGB (BFH-Urteil vom 26.04.2018 ‑ III R 5/16, BFHE 261, 326, BStBl II 2018, 536, Rz 14 ff.). Kor­respondierend stellt beim Geschäftsherrn der abgeflossene Provisionsvor­schuss noch keinen Aufwand dar, sondern ist als geleistete Anzahlung ‑‑nicht etwa als Rechnungsabgrenzungsposten‑‑ zu aktivieren (BFH-Urteil vom 04.08.1976 ‑ I R 145/74, BFHE 119, 468, BStBl II 1976, 675, unter 3.; ebenso BFH-Urteil vom 14.10.1999 ‑ IV R 12/99, BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25, unter 2.). Erst recht ist in Bezug auf Provisionsansprüche, die ‑‑mangels Aus­führung des vermittelten Geschäfts‑‑ bisher weder entstanden noch ausge­zahlt worden sind, beim Handelsvertreter keine Forderung zu aktivieren und beim Geschäftsherrn kein Passivposten zu bilden (BFH-Urteil vom 28.10.2009 ‑ I R 28/08, BFH/NV 2010, 432, Rz 42).

cc) Demgegenüber ist ein Provisionsanspruch zu aktivieren, wenn er rechtlich entstanden ist und der Leistungsverpflichtete seine Verpflichtung wirtschaftlich erfüllt hat. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und der tatsächlichen Auszahlung der Provisionsforderung kommt es für die ertragsteuerrechtliche Gewinnreali­sierung nicht an (zum Ganzen BFH-Urteil vom 09.10.2013 ‑ I R 15/12, BFH/NV 2014, 907, Rz 16). Daher ist ein Provisionsanspruch bereits dann zu aktivie­ren, wenn die maßgebende Vereinbarung vorsieht, dass der Provisionsan­spruch schon mit Zahlung des ersten Monatsbeitrags durch den Versiche­rungsnehmer in vollem Umfang entsteht, selbst wenn die Fälligkeit in Anknüp­fung an weitere Beitragszahlungen des Versicherungsnehmers hinausgescho­ben wird (vgl. auch hierzu BFH-Urteil vom 09.10.2013 ‑ I R 15/12, BFH/NV 2014, 907, Rz 15).

Wenn im konkreten Vertrag ‑‑in Abweichung von § 92 Abs. 4 HGB und zu­gunsten des Versicherungsvertreters‑‑ vereinbart ist, dass der Provisionsan­spruch bereits entsteht, wenn der jeweils vermittelte Versicherungsvertrag zu­stande gekommen ist, ist der Anspruch in diesem Zeitpunkt zu aktivieren (zu einem solchen Fall vgl. BFH-Beschluss vom 13.02.2008 ‑ III B 29‑31/07, BFH/NV 2008, 947, unter II.3.). Ein solcher Sachverhalt lag auch dem BFH-Ur­teil vom 14.10.1999 ‑ IV R 12/99 (BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25, unter 1.a) zugrunde, wie sich aus dem von der dortigen Vorinstanz mitgeteilten Ver­tragsinhalt ergibt (vgl. FG Bremen, Urteil vom 17.09.1998 ‑ 497082 K 3, EFG 1999, 278, nichtamtliche juris-Rz 100 f.).

d) Ist eine Provision bereits verdient und ertragsteuerrechtlich realisiert, muss das Risiko ihres späteren Verlusts nach der BFH-Rechtsprechung je nach den Umständen über die Bewertung der Forderung erfasst werden oder es ist eine Rückstellung zu bilden (BFH-Urteil vom 09.10.2013 ‑ I R 15/12, BFH/NV 2014, 907, Rz 16, mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf die ältere Rechtspre­chung); dabei handelt es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlich­keiten.

2. Mit diesen Grundsätzen hat sich das FG nicht befasst und auch keine ausrei­chenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, die dem Senat eine eigene Entscheidung ermöglichen würden. Daher müssen die nicht spruchreifen Sa­chen an das FG zurückgehen.

a) In Bezug auf die zwischen dem Kläger und U vereinbarten vertraglichen Grundlagen hat das FG allein Nr. IV Abs. 11 des "Vermögensberater-Vertrags" erwähnt. Diese Regelung betrifft nach ihrem Wortlaut ‑‑in Verbindung mit den entsprechenden Positionen der Anlage A zum "Vermögensberater-Vertrag"‑‑ allerdings nur Fälle, in denen der Provisionsanspruch handelsrechtlich noch gar nicht entstanden ist. In einem solchen Fall wäre der Gewinn aus einer Vermitt­lungstätigkeit noch nicht realisiert; eine Provisionsforderung dürfte nicht akti­viert werden (vgl. oben II.1.c aa). Der ‑‑vom FG bestätigte‑‑ Ansatz einer For­derung wäre daher schon von vornherein verfehlt, ohne dass es noch auf die vom FG in den Vordergrund gerückten Fragen ankäme, ob die Forderung auf­grund ihrer Bildung in einem früheren Veranlagungszeitraum und ihrer bisheri­gen Nichtauflösung bereits in der (Anfangs‑)Bilanz des Klägers zum 01.01.2008 enthalten war und ob für die Höhe der Aktivierung der Ist-Stand oder ein Soll-Stand der Forderung maßgeblich wäre. Umgekehrt dürfte aber mangels Gewinnrealisation auch keine Rückstellung für Stornorisiken gebildet werden.

b) Allerdings knüpft die Anlage A zum "Vermögensberater-Vertrag" das Entste­hen des Provisionsanspruchs nicht für sämtliche vermittelten Finanzprodukte oder Versicherungsverträge an die Zahlung von Prämien über einen längeren Zeitraum. Es ist daher denkbar, dass für einen Teil der vermittelten Verträge der Provisionsanspruch bereits mit der ersten Prämienzahlung des Kunden entsteht. Dafür spricht auch, dass in den Schriftsätzen der Beteiligten häufig von einer "Stornorückstellung" und einem "Nachhaftungsrisiko" die Rede ist. Diese Begriffe beziehen sich üblicherweise auf Fälle, in denen der Provisions­anspruch rechtlich und wirtschaftlich zwar bereits entstanden ist ‑‑beim Versi­cherungsvertreter also Gewinn realisiert worden ist und eine gegebenenfalls noch bestehende Provisionsforderung aktiviert werden muss‑‑, der Vertreter aber noch während einer längeren Zeit (der Kläger spricht von fünf Jahren) mit der ‑‑gegebenenfalls teilweisen‑‑ Rückforderung seiner Provision rechnen muss, falls der Kunde den Versicherungsvertrag innerhalb dieses Zeitraums beenden sollte.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Provisions­vereinbarungen ‑‑insbesondere aus der Anlage A‑‑ für die vom Kläger vermit­telten Verträge in welchem Umfang galten. Auch vertragliche Vereinbarungen über dieses "Storno- bzw. Nachhaftungsrisiko" sind im Streitfall nicht vom FG festgestellt worden. Insbesondere betrifft Nr. IV Abs. 11 des "Vermögensbera­ter-Vertrags" diesen Fall nicht, da diese Regelung sich auf noch nicht entstan­dene Provisionsansprüche bezieht. Allerdings geht aus den Provisionsabrech­nungen hervor, dass es beim Kläger in jedem Jahr zu erheblichen Rückbelas­tungen von Provisionen aufgrund von Vertragsstornierungen gekommen ist. Es dürfte also entsprechende Vereinbarungen zwischen dem Kläger und U gege­ben haben.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat ‑‑ohne die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO‑‑ auf die folgenden Punkte hin:

a) Sollte zu den streitgegenständlichen Bilanzstichtagen eine Aktivierung von noch nicht ausgezahlten Provisionsansprüchen des Klägers vorzunehmen sein, wäre das angefochtene Urteil in Bezug auf die Auswirkungen der vom Vorprü­fer zum 31.12.2002 vorgenommenen Nachaktivierung einer Provisionsforde­rung auf das Streitjahr 2008 zwar in der Begründung rechtsfehlerhaft, dürfte im Ergebnis aber gleichwohl zutreffend sein.

In methodischer Hinsicht hat das FG zu Unrecht die für Schätzungen geltenden Grundsätze angewendet, obwohl es sich um eine Frage der Sachverhaltser­mittlung handelt (dazu unten aa). Zum anderen leidet das angefochtene Urteil insoweit an innerer Widersprüchlichkeit, da es zu diesem Punkt mehrere ‑‑mit­einander denklogisch unvereinbare‑‑ Sachverhaltsvarianten anbietet (unten bb). Zutreffend geht das FG allerdings davon aus, dass für die Beurteilung al­lein die ursprünglichen Jahresabschlüsse des Klägers maßgeblich sind, nicht aber die im Jahr 2019 nachgereichten geänderten Jahresabschlüsse (unten cc). Bei Auswertung dieser ursprünglichen Jahresabschlüsse dürfte sich die Beurteilung des FG ‑‑allerdings mit einer anderen Begründung‑‑ nach dem jetzigen Stand der Tatsachenfeststellungen im Ergebnis als zutreffend erwei­sen (unten dd).

aa) Das FG hat den vorliegenden Jahresabschlüssen nicht entnehmen können, ob beziehungsweise wie der Kläger die vom Vorprüfer zum 31.12.2002 vorge­nommene Nachaktivierung in seinen Steuerbilanzen nachvollzogen hatte. Es hat deshalb ausgeführt, "im Wege der Schätzung nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO" sei die Forderung im Streitjahr 2008 erstmals in voller Höhe zu berück­sichtigen.

Das ist methodisch unzutreffend. Gegenstand einer Schätzung nach § 162 Abs. 1, 2 der Abgabenordnung können nur quantitative Größen sein, nicht aber qualitative Besteuerungsmerkmale wie ganze Sachverhalte oder Tatsa­chenfragen (BFH-Entscheidungen vom 20.07.2010 ‑ X B 70/10, BFH/NV 2010, 2007, Rz 16; vom 10.02.2015 ‑ V B 87/14, BFH/NV 2015, 662, Rz 11 f. und vom 19.01.2017 ‑ III R 28/14, BFHE 256, 403, BStBl II 2017, 743, Rz 17; of­fengelassen, aber in der Tendenz wohl ebenso BFH-Urteil vom 22.06.2006 ‑ IV R 56/04, BFHE 214, 226, BStBl II 2006, 838, unter II.3.). Wenn das FG meint, es habe nicht ermitteln können, wie der Kläger die vom Vorprüfer vor­genommene Nachaktivierung bilanziell nachvollzogen habe (zur tatsächlichen bilanziellen Behandlung beim Kläger vgl. unten dd), dann muss es zunächst erwägen, ob seiner Überzeugungsbildung ein abgesenktes Beweismaß zugrun­de zu legen ist, und als ultima ratio nach den Grundsätzen über die Feststel­lungslast entscheiden (zu dieser Stufenfolge bei der Überzeugungsbildung vgl. Senatsurteil vom 16.11.2022 ‑ X R 17/20, BFHE 279, 44, BStBl II 2023, 484, Rz 147, m.w.N.).

bb) Vor allem aber werden im FG-Urteil in Bezug auf die bilanzielle Behand­lung der Nachaktivierung mehrere Varianten angeführt, die miteinander denk­logisch unvereinbar sind und auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Das Urteil leidet daher insoweit an innerer Widersprüchlichkeit.

(1) Auf Blatt 3 des Urteils ist im Tatbestand ‑‑formulierungsmäßig mit der Wir­kung einer das Revisionsgericht zunächst gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellung‑‑ ausgeführt, zwischen den "Parteien" sei unstreitig, dass die vom Vorprüfer vorgenommene Nachaktivierung in den auf 2002 fol­genden Jahren in der Buchführung des Klägers nicht erfasst und fortgeschrie­ben worden sei.

Auf dieser Tatsachengrundlage hätte das FG den Klägern in diesem Punkt recht geben müssen. Denn wenn die zum 31.12.2002 vorgenommene gewinn­erhöhende Einbuchung einer Forderung in der Prüferbilanz bisher nicht in die vom Kläger erstellten Steuerbilanzen der Folgejahre übernommen worden wä­re, hätte die ‑‑erfolgsneutral vorzunehmende‑‑ Anpassung dieser Steuerbilan­zen an das Ergebnis der Vorprüfung noch ausgestanden. Diese wäre in der An­fangsbilanz des ersten offenen Jahres ‑‑hier zum 01.01.2008‑‑ durch Einbu­chung der Forderung, soweit sie noch offen ist, und eine entsprechende Erhö­hung des Kapitalkontos vorzunehmen gewesen. In Höhe dieses Betrages hätte eine Aktivierung von Provisionsforderungen daher im Streitjahr 2008 keine ‑‑erneute‑‑ Gewinnauswirkung haben dürfen.

(2) Auf Blatt 6 unten und Blatt 7 oben des Tatbestands gibt das FG den Inhalt der Einspruchsentscheidung, der auch dem Vortrag des FA entspricht, dahin­gehend ‑‑im Konjunktiv‑‑ wieder, dass der Steuerberater des Klägers das Ka­pitalkonto zum 01.01.2004 zum Zwecke der Angleichung an das Ergebnis der Vor-Betriebsprüfung erfolgsneutral um 54.420,74 € erhöht habe. Zugleich sei auch auf dem Buchhaltungskonto 1410, das zwar mit der Bezeichnung "Provi­sionsrückstellungen" versehen ist, bei dem es sich aber tatsächlich um ein For­derungskonto handelt, eine Teilanpassung an die Ergebnisse der Betriebsprü­fung vorgenommen worden. Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das FG nicht getroffen.

Wäre das FG diesem Vortrag des FA nachgegangen und hätte sich das Vorbrin­gen als zutreffend erwiesen, hätte es insoweit dem FA beipflichten müssen, ohne auf Schätzungsgrundsätze oder die Feststellungslast zurückgreifen zu müssen (s. im Einzelnen unten dd).

(3) In seiner eigenen Würdigung (Bl. 13 f. des Urteils) meint das FG dann, es könne nicht festgestellt werden, ob der Kläger die in der Prüferbilanz zum 31.12.2002 vorgenommene Nachaktivierung der Forderung in den Folgejahren ordnungsgemäß fortgeführt habe. Daher sei im Wege der Schätzung eine For­derung, die den Rückstellungen entspreche, im Jahre 2008 in voller Höhe ge­winnwirksam einzubuchen.

cc) Maßgebend für die Beurteilung sind nicht die im Jahr 2019 nachgereichten, geänderten Jahresabschlüsse des Klägers für die Jahre 2002 bis 2007, sondern allein die ursprünglichen Jahresabschlüsse. Dies gilt schon deshalb, weil die Veranlagungen für diese Jahre bei Einreichung dieser Bilanzen längst be­standskräftig waren (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).

Darüber hinaus können die Unterschiede zwischen diesen und den ursprüngli­chen Bilanzen jedenfalls ohne weitere Erläuterungen der Kläger ‑‑die in der Tatsacheninstanz nicht abgegeben worden sind‑‑ nicht nachvollzogen werden, so dass die nachgereichten Bilanzen auch aus diesem Grund keine Basis für die rechtliche Beurteilung darstellen können.

(1) So beschränkt sich die in der nachgereichten Bilanz für das Jahr 2002 vor­genommene Änderung nicht allein auf die Einbuchung einer Forderung in Höhe von 56.917,74 € (dabei handelt es sich um die vom Vorprüfer im Hinblick auf das Provisionsrückstellungskonto nachaktivierte Forderung von 54.420,74 € und eine weitere vom Vorprüfer nachaktivierte Forderung von 2.497 €). Viel­mehr ist auch das Anfangskapital zum 01.01.2002 erheblich verändert worden (ursprüngliche Bilanz: ./. 253.277,63 €; nachgereichte Bilanz: ./. 169.721,41 €), ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich ist oder die Abwei­chung erläutert wird. Eine im Jahr 2002 vorgenommene gewinnerhöhende Nachaktivierung kann indes nur Auswirkungen auf das Schlusskapital haben, nicht aber auf das Anfangskapital. Ferner ist ‑‑ohne Erläuterung‑‑ der Ansatz der sonstigen Rückstellungen um 26.638,48 € erhöht worden. Der ausgewie­sene Gewinn (38.573,49 €) wiederum ist im Vergleich zum ursprünglichen Jahresabschluss unverändert geblieben, obwohl jedenfalls die vom Vorprüfer vorgenommene Nachaktivierung der Provisionsforderung zu einer entspre­chenden Erhöhung des Gewinns des Jahres 2002 geführt hatte.

(2) Für 2003 ist der Gewinn im geänderten Jahresabschluss im Vergleich zu dem ursprünglich eingereichten Abschluss deutlich erhöht worden (114.383,83 € statt bisher erklärt 68.096,57 €). Das Schlusskapital zum 31.12.2003 (./. 170.126,42 €) stimmt nicht mit dem in der Bilanz für das Fol­gejahr angegebenen Anfangskapital zum 01.01.2004 (./. 115.705,68 €) über­ein. Der Gewinn für 2004 ist ebenfalls verändert worden (91.385,09 € statt zuvor 162.849,79 €), ebenso für 2005 (103.577,44 € statt zuvor 102.622,95 €), 2006 (208.167,24 € statt zuvor 241.633,77 €) und 2007 (208.607,16 € statt zuvor 171.743,37 €). Keine dieser Gewinnänderungen ist von den Klägern in nachvollziehbarer Weise erläutert worden.

dd) Das FG hat die ursprünglichen Jahresabschlüsse des Klägers in Bezug ge­nommen und damit inhaltlich festgestellt. Aus ihnen ergibt sich ‑‑vorbehaltlich der Möglichkeit des Klägers, im zweiten Rechtsgang weitere Erkenntnisquellen (zum Beispiel Kontoblätter) vorzulegen‑‑, dass der Kläger seine Steuerbilanz zum 01.01.2004 in zutreffender Weise erfolgsneutral an die Ergebnisse der Vorprüfung angepasst hatte und diese Anpassung später nicht wieder rückgän­gig gemacht worden sein dürfte.

(1) Fest steht, dass im Rahmen der Vorprüfung zum 31.12.2002 eine Provisi­onsforderung von 54.420,74 € gewinnerhöhend aktiviert wurde. Da diese Än­derung aber zunächst nur in der Prüferbilanz vorgenommen wurde und die Steuerbilanz zum 31.12.2002 zu diesem Zeitpunkt bereits erstellt war, wäre bei korrekter Handhabung ‑‑wenn nicht bereits rechtzeitig der Jahresabschluss 2002 angepasst worden wäre‑‑ zum nächstmöglichen Zeitpunkt im ersten ver­fahrensrechtlich "offenen" Jahr eine gewinnneutrale Einbuchung dieser Forde­rung, soweit sie noch bestanden hat, in die vom Kläger erstellte Steuerbilanz unter Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs erforderlich gewesen.

(2) Tatsächlich hat der Kläger in seiner ursprünglichen ‑‑und der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden‑‑ Bilanz das Anfangskapital zum 01.01.2004 unter Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs gewinnneutral um den vom Vorprüfer nachaktivierten Forderungsbetrag von 54.420,74 € er­höht.

Dies ergibt sich daraus, dass sich das im Jahresabschluss zum 31.12.2003 vom 02.02.2005 ausgewiesene Schlusskapital auf ./. 299.969,90 € beläuft. Demgegenüber weist der Jahresabschluss zum 31.12.2004 vom 16.06.2006 ein Anfangskapital zum 01.01.2004 von ./. 245.549,16 € aus. Die Differenz von + 54.420,74 € entspricht exakt dem vom Vorprüfer nachaktivierten Be­trag.

Damit hat der Kläger die vom Vorprüfer vorgenommene Änderung bilanziell in zutreffender Weise ‑‑erfolgsneutral durch Anpassung des Anfangskapitals zum 01.01.2004‑‑ nachvollzogen, so dass die Forderung seit dem 01.01.2004 in den Bilanzen des Klägers enthalten war.

(3) Der Gesamtbestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Kon­to 1410) belief sich zum 31.12.2008 auf lediglich 1.057,41 €. Dies lässt ‑‑vor­behaltlich weiterer, derzeit aber nicht vorliegender Erkenntnisse‑‑ den Schluss zu, dass die in der Prüferbilanz zum 31.12.2002 aktivierte und vom Kläger zum 01.01.2004 erfolgsneutral in seine Buchführung übernommene Provisi­onsforderung zwischenzeitlich ausgebucht worden ist. Da in den Jahren ab 2004 ausweislich der vorliegenden Bilanzen keine weitere Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs vorgenommen wurde, kann diese Ausbuchung nur innerhalb des Buchführungskreises geschehen sein, bei Vereinnahmung des Geldbetrags, auf den die Forderung gerichtet war, also erfolgsneutral, bei Wegfall der Forderung ‑‑etwa wegen eines Stornorisikos, das sich zwischen­zeitlich realisiert hat‑‑ gewinnmindernd. Damit wären Forderungen, die ‑‑was bisher nicht feststeht‑‑ zum 31.12.2008 tatsächlich bestanden haben, aber bisher nicht aktiviert worden sind, gewinnerhöhend einzubuchen.

b) Hinsichtlich der weiteren Streitfrage, ob ‑‑das Bestehen einer Aktivierungs­pflicht dem Grunde nach vorausgesetzt‑‑ die tatsächliche Höhe des Einbehalts ("Ist-Rückstellung") oder die rechnerisch richtige Höhe des Einbehalts ("Soll-Rückstellung") zu aktivieren ist, neigt der Senat ‑‑mit den Klägern, aber im Gegensatz zum FG‑‑ dazu, hier die tatsächliche Höhe des Einbehalts für maß­geblich zu erachten.

So wie der Senat die zwischen dem Kläger und U getroffenen Vereinbarungen versteht, dürfte eine Forderung auf Auszahlung weiterer ‑‑von U vorläufig ein­behaltener‑‑ Provisionen nur in Höhe ihres Ist-Stands bestehen. Der vom FG für maßgeblich gehaltene Soll-Bestand des Provisionsrückstellungskontos gibt nach dem Verständnis des Senats nur denjenigen Betrag an, den U bei soforti­ger zutreffender Berechnung hätte einbehalten dürfen, der aber tatsächlich in den Streitjahren unterschritten und in anderen Jahren überschritten worden ist. Bei diesem Soll-Bestand dürfte es sich damit um eine theoretische Rechen­größe handeln, die nicht die tatsächliche Höhe des Einbehalts ‑‑und der damit korrespondierenden Forderung des Klägers‑‑ abbildet. Eine abschließende Be­urteilung verlangt indes nach konkreten Feststellungen zu der Bedeutung die­ser beiden Rechengrößen.

c) Anders als das FG meint, muss die Höhe einer etwaigen für das Stornorisiko zu bildenden bilanziellen Rückstellung nicht notwendig identisch sein mit der Höhe der zu aktivierenden restlichen Provisionsforderung. Denn die allgemei­nen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätze für die Bemessung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ‑‑hier: einer Rückstellung für Stornorisiken‑‑ sind nicht zwingend deckungsgleich mit den Grundsätzen, nach denen die Hö­he des vorläufigen Einbehalts von Provisionsansprüchen aufgrund der indivi­duell zwischen dem Versicherungsvermittler und seinem Auftraggeber getrof­fenen Vereinbarungen ermittelt wird.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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