DIW Berlin: Entlastungen bei den Sozialbeiträgen sind eine Alternative zu Steuersenkungen
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Pressemitteilung vom 28.3.2018
DIW Berlin berechnet Effekte verschiedener Konzepte für Sozialbeitragsentlastungen – Im Koalitionsvertrag vorgesehene Maßnahmen bei Sozialbeiträgen mit nur geringer Verteilungswirkung – Statt die Sozialbeiträge zu senken, könnten diese auf die Einkommensteuer angerechnet werden, bis hin zu einer „Negativsteuer“ – Steuern, Sozialbeiträge und Sozialtransfers sollten besser aufeinander abgestimmt werden
Die Sozialbeiträge sind in Deutschland ein eigenes Abgabensystem neben dem Steuersystem. Mit einem Aufkommen von 531 Milliarden Euro im Jahr übertreffen sie das Aufkommen der Einkommen- und Unternehmensteuern deutlich. Gut die Hälfte davon wird von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gezahlt. Vor dem Hintergrund der Debatte um Entlastungen für niedrige und mittlere Einkommen betrachtet eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) die Verteilungswirkungen verschiedener Konzepte für Sozialbeitragsentlastungen. Zwei der untersuchten Konzepte sind dem Koalitionsvertrag entnommen, zwei wurden vom Deutschen Gewerkschaftsbund vorgeschlagen eins wird bereits in Österreich angewandt. Zusätzlich wird die Einführung eines Grundfreibetrags innerhalb der Sozialbeiträge betrachtet.
„Die Entlastungen für niedrige und mittlere Einkommen sind am stärksten bei den Vorschlägen, die die Sozialbeiträge von der Einkommensteuer abziehen“, erklärt Stefan Bach, der die Studie gemeinsam mit Peter Haan und Michelle Harnisch erstellt hat.
Die Verteilungswirkungen können über gezielte Maßnahmen gesteuert werden
Die in der Studie analysierten Varianten eines Einkommensteuer-Abzugs sind auf die Entlastung der unteren und mittleren Einkommen ausgerichtet, da der Entlastungsbetrag dabei mit steigendem Einkommen verringert wird. Entsprechend konzentriert sich bei diesen Maßnahmen das Entlastungsvolumen je nach Konzept zu 73 und 81 Prozent auf die untere Hälfte der Bevölkerung, die unteren 30 Prozent würden 37 bis 51 Prozent erhalten. Die Einführung eines Grundfreibetrags für Arbeitnehmerbeiträge würde vor allem die mittleren Einkommensgruppen entlasten. Die unteren Einkommensgruppen profitieren hier weniger stark.
Die im Koalitionsvertrag festgehaltene Ausweitung der Midijob-Gleitzone bis zu einem beitragspflichtigen Einkommen von 1300 Euro im Monat hilft neben Geringverdienenden auch vielen Zweitverdienenden in Haushalten mit einem insgesamt überdurchschnittlichen Einkommen – die Höhe der Entlastung ist im Vergleich zu den anderen Maßnahmen jedoch gering. Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Senkung des Beitragssatzes der Arbeitslosenversicherung entlasten insbesondere die mittleren Einkommen und die Besserverdienenden, da diese in absoluten Beträgen höhere Sozialabgaben leisten.
Wechselwirkungen zwischen Steuer- und Abgabensystemen und Grundsicherung sollten stärker beachtet werden
„Bei Sozialbeitragsentlastungen sollten immer auch die Effekte auf die Grundsicherung einerseits und auf die Beschäftigung andererseits mitgedacht werden“, benennt Bach wichtige Aspekte bei der politischen Umsetzung der Konzepte. So könnten die Entlastungen bei den Sozialbeiträgen die Arbeitsanreize vor allem für Erwerbslose und Nichtbeschäftigte erhöhen, soweit sie nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. Es können jedoch auch negative Arbeitsanreize entstehen, wenn die Sozialbeiträge mit der Einkommensteuer auf Haushaltsebene verrechnet werden. Ähnlich wie beim Ehegattensplitting führt das zu negativen Arbeitsanreizen für Zweitverdienende mit niedrigen Einkommen, zumeist die Ehefrau. Generell sollten Steuern, Sozialbeiträge und Sozialtransfers besser aufeinander abgestimmt werden.