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BFH zur Steuerbefreiung der vertretungsweisen Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes gegen Entgelt

Die entgeltliche Übernahme ärztlicher Notfalldienste durch einen Arzt (unter Freistellung des ursprünglich eingeteilten Arztes von sämtlichen Verpflichtun­gen im Zusammenhang mit diesem Dienst) ist unabhängig davon, wem ge­genüber diese sonstige Leistung erbracht wird, als Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes umsatzsteuerfrei.

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Nr. 14 Buchst. a
UStG a.F. § 19
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c
FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1

BFH-Urteil vom 14.5.2025, XI R 24/23 (veröffentlicht am 24.7.2025)

Vorinstanz: FG Münster vom 9.5.2023, 15 K 1953/20 U = SIS 23 11 76

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Arzt in der Allge­meinmedizin.

In den Jahren 2012 bis 2016 (Streitjahre) übernahm der Kläger, der mit der örtlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine Vereinbarung über die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst abgeschlossen hatte, als Vertreter für andere zum Notfalldienst eingeteilte Ärzte notfallärztliche "Sitz- und Fahrdienste" in eigener Verantwortung. Gegenüber den vertretenen Ärz­ten rechnete der Kläger je Stunde zwischen … € und … € ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis und ohne einen Hinweis auf eine Steuerbefreiung ab. Darüber hinaus liquidierte der Kläger die im Rahmen des Notfalldienstes tat­sächlich erbrachten ärztlichen Leistungen (entweder direkt gegenüber Privat­patienten oder bei gesetzlich Versicherten über die KV).

Daneben führte der Kläger in den Streitjahren für die Polizeibehörde auch Blutentnahmen durch und fertigte hierüber jeweils einen einseitigen ärztlichen Bericht nach einem vorgegebenen Vordruck (Ankreuzbogen). Die Liquidation für die Blutentnahmen erfolgte gegenüber der zuständigen Landeskasse. Um­satzsteuer wies der Kläger insoweit gleichfalls nicht gesondert aus.

Der Kläger ging davon aus, ausschließlich steuerfreie Umsätze auszuführen, und gab für die Streitjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab.

Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanz­amt ‑‑FA‑‑) unter anderem an, dass die Übernahme des Notfalldienstes als Vertreter getrennt von der im Notfalldienst ausgeübten Heilbehandlung zu würdigen sei. Zum einen führe der Kläger gegenüber den Patienten ambulante Heilbehandlungen aus, die nach § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergeset­zes (UStG) steuerfrei seien. Zum anderen erbringe der Kläger gegenüber dem eingeteilten Arzt, dessen Notfalldienst er gegen Entgelt übernehme, eine sons­tige Leistung, die kein therapeutisches Ziel habe. In den Streitjahren seien die hieraus erzielten Einnahmen ‑‑entgegen der bisherigen Handhabung durch den Kläger‑‑ der Umsatzsteuer zu 19 % zu unterwerfen.

Soweit der Kläger darüber hinaus für die Polizeibehörde Blutentnahmen durch­geführt habe, seien diese ebenfalls ‑‑entgegen der bisherigen Handhabung‑‑ steuerpflichtig; einem therapeutischen Zweck dienten sie gleichfalls nicht.

Das FA erließ am 24.10.2019 dementsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und setzte die Umsatzsteuer auf … € (2012), … € (2013), … € (2014), … € (2015) und … € (2016) fest. Hierbei ging das FA für die Vertretungen im ärztlichen Notfall­dienst von den Feststellungen der Außenprüfung aus, minderte jedoch ent­sprechend den klägerischen Angaben für das Streitjahr 2013 die Höhe der Umsätze um netto … €. Für die vom Kläger vorgenommenen Blutentnah­men legte das FA Umsätze in Höhe von netto … € (2012), … € (2013), … € (2014), … € (2015) und … € (2016) zugrunde. Die hiergegen eingelegten Einsprüche des Klägers hatten keinen Erfolg (Ein­spruchsentscheidung vom 16.06.2020).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger sich auf die Steuer­befreiung seiner Umsätze als Heilbehandlungen berief, mit seinem in Entschei­dungen der Finanzgerichte (EFG) 2023, 1257 veröffentlichten Urteil ab. Es führte im Wesentlichen aus, dass die vom Kläger vereinnahmten Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notfalldienst nicht im Zusammenhang mit einer nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfreien Heilbehandlung stünden. Der Kläger habe die Gelder von den vertretenen Ärzten für eine in der Übernahme des ärztlichen Notfalldienstes liegende sonstige Leistung erhalten, die nicht als steuerfreie Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG anzusehen sei. Auch die vom Kläger durchgeführten Blutentnahmen für die Polizeibehörde seien nicht gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts allein hinsichtlich der Beurteilung der Vertretung für Notfalldienste. Das FG habe die entgeltliche Übernahme von Vertretungen im ärztlichen Notfalldienst abwei­chend vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17 (BFHE 263, 63) unzutreffend nicht als steuerfrei, sondern steuerpflichtig ange­sehen. Einer steuerfreien Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG stehe nicht entgegen, dass sie nicht gegenüber einem Patienten erbracht werde. Maßgebend seien allein Art und Inhalt der erbrachten sonstigen Leistung, die auch dann heilberuflich sei, wenn sie nur die eventuelle Versorgung von Patienten sichere. Das FG habe dagegen rechtsfehlerhaft angenommen, dass der "Sitz- und Fahrdienst" keinem therapeutischen Zweck diene. Die Vorent­scheidung weiche auch von dem zur Steuerbefreiung von notfallärztlichen Be­reitschaftsdiensten ergangenen Urteil des Niedersächsischen FG vom 23.01.2020 ‑ 11 K 186/19 (EFG 2020, 561) ab, das zutreffend erkannt habe, dass der Bereitschaftsdienst die zeitnahe Behandlung von Notfallpatienten si­cherstelle und es unerheblich sei, wem gegenüber die Leistung, entgeltlich ärztliche Notfalldienste zu übernehmen, erbracht werde.

Die im Klageverfahren noch begehrte Steuerfreiheit seiner Umsätze aus den für die Polizeibehörde erbrachten Blutentnahmen verfolgt der Kläger mit seiner Revision nicht mehr weiter, weist aber darauf hin, dass im Falle der Steuerfrei­heit der hier in Rede stehenden Vertretung für ärztliche Notfalldienste ab 2014 die Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 19 UStG in der in den Streitjah­ren geltenden Fassung (a.F.), auf deren Anwendung er nicht verzichtet habe, zum Tragen komme.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 16.06.2020 auf­zuheben sowie die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre vom 24.10.2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2012 auf … €, die Umsatzsteuer für 2013 auf … € sowie die Um­satzsteuer für 2014, 2015 und 2016 auf jeweils 0 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger habe die Entgelte von den von ihm vertretenen Ärzten für eine sonstige Leistung erhalten, die als Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes nicht als steuerfreie Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG anzusehen sei. Demgemäß sei ‑‑angesichts der deshalb zu berücksichtigenden vereinnahmten Geldbeträge‑‑ die vom Kläger nunmehr geltend gemachte Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG a.F. in allen Streitjahren nicht an­wendbar.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorent­scheidung und zur Stattgabe der Klage im noch beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Übernahme der Vertre­tung im ärztlichen Notfalldienst steuerpflichtig sei. Die Vorentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Dagegen sind ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ die vom Kläger durchgeführten Blutentnahmen für die Polizeibehörde nicht von der Umsatzsteuer befreit. Der Kläger kann aber hinsichtlich der Streitjahre 2014 bis 2016 die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 19 UStG a.F., auf deren Anwendung er nicht verzichtet hat, bean­spruchen.

1. Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass ‑‑wie auch zwischen den Beteiligen unstreitig ist‑‑ der Kläger mit der Übernahme ärztlicher Notfall­dienste sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht hat. Der Senat sieht daher von weiteren Ausführungen dazu ab.

2. Entgegen der Vorentscheidung ist indes die entgeltliche Übernahme ärztli­cher Notfalldienste durch einen Arzt als Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei.

a) Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG sind "Heilbehandlungen im Bereich der Hu­manmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden", steuerfrei. Die Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Heilbehand­lungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei sind.

aa) Der Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umfasst Leistungen, die der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Hei­lung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen, und demnach einen therapeutischen Zweck haben (vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europä­ischen Union ‑‑EuGH‑‑ Unterpertinger vom 20.11.2003 ‑ C‑212/01, EU:C:2003:625, Rz 42; X [Mehrwertsteuerbefreiung für telefonische Beratun­gen] vom 05.03.2020 ‑ C‑48/19, EU:C:2020:169, Rz 27; CIG Pannónia Életbiztosító vom 24.11.2022 ‑ C-458/21, EU:C:2022:924, Rz 23 und 24). Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zielsetzung ei­ner Leistung in einem besonders engen Sinn zu verstehen ist (vgl. z.B. EuGH-Urteil CIG Pannónia Életbiztosító vom 24.11.2022 ‑ C‑458/21, EU:C:2022:924, Rz 25, m.w.N.). Zu den Heilbehand­lungen im Bereich der Humanmedizin ge­hören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Demgemäß kommt ärztlichen Leis­tungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung zugute (vgl. z.B. EuGH-Urteile Klinikum Dortmund vom 13.03.2014 ‑ C‑366/12, EU:C:2014:143, Rz 30; CIG Pannónia Életbiztosító vom 24.11.2022 ‑ C‑458/21, EU:C:2022:924, Rz 25; BFH-Urteile vom 18.03.2015 ‑ XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058; vom 08.03.2012 ‑ V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623; vom 26.08.2014 ‑ XI R 19/12, BFHE 247, 246, BStBl II 2015, 310; vom 05.11.2014 ‑ XI R 11/13, BFHE 248, 389; vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz 14).

bb) Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind indes ärztliche Leistungen, Maßnahmen oder medizinische Eingriffe, die zu anderen als derar­tigen therapeutischen Zwecken erfolgen (vgl. z.B. EuGH-Urteil CIG Pannónia Életbiztosító vom 24.11.2022 ‑ C‑458/21, EU:C:2022:924, Rz 28 und 29; BFH-Urteile vom 18.08.2011 ‑ V R 27/10, BFHE 235, 58, Rz 14 und vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz 15).

cc) Dienen Leistungen einem therapeutischen Zweck, steht der Steuerbefrei­ung nicht entgegen, wenn sie umsatzsteuerrechtlich nicht gegenüber Patienten oder Krankenkassen erbracht werden. Für die Steuerfreiheit kommt es nicht auf die Person des Leistungsempfängers an, da sich die personenbezogene Vo­raussetzung der Steuerfreiheit auf den Leistenden bezieht, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18.03.2015 ‑ XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058, Rz 19; vom 18.08.2011 ‑ V R 27/10, BFHE 235, 58, Rz 24; vom 08.08.2013 ‑ V R 8/12, BFHE 242, 548, Rz 18; vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz 16).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei der Übernah­me der ärztlichen Notfalldienste durch den Kläger als Vertreter der zunächst eingeteilten Ärzte um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.

aa) Das FG hat den vorliegenden Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass es sich bei den Zahlungen, die der Kläger von den durch ihn vertretenen Ärzten erhielt, um ein Entgelt dafür gehandelt habe, dass der Kläger diese Ärzte von ihrer Verpflichtung, einen ärztlichen Notfalldienst während eines festgelegten Zeitraums erbringen zu müssen, freistellte. Nach der Würdigung des FG woll­ten sich die vom Kläger vertretenen Ärzte den in der Freistellung von sämtli­chen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem ihnen zugeteilten Notfall­dienst liegenden Vorteil verschaffen. Hierbei hat das FG jedoch nicht berück­sichtigt und bedacht, dass der Kläger die zum Notfalldienst eingeteilten Ärzte nur deshalb durch die Übernahme des Dienstes freistellen konnte, weil er dann selbst den ärztlichen Notfalldienst ausführte. Die streitgegenständliche sonsti­ge Leistung, die der Kläger erbracht hat, beschränkt sich mithin nicht auf die Freistellung der zum Notfalldienst eingeteilten Ärzte, sondern umfasst zugleich die Durchführung eines solchen Dienstes in einem bestimmten Gebiet in einem festgelegten Zeitraum. Dies führt zum Fortfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO, da das FG die maßgeblichen Umstände nicht vollständig und ihrer Bedeutung entsprechend in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat (vgl. dazu allgemein z.B. BFH-Urteil vom 24.10.2024 ‑ I R 36/22, BStBl II 2025, 332, Rz 16, m.w.N.).

bb) Die vertretungsweise Übernahme der Notfalldienste gewährleistete eine zeitnahe Behandlung von Notfallpatienten im jeweiligen Einsatzgebiet. Die Be­reitschaft, jederzeit und unmittelbar privat- und kassenärztliche Leistungen in Notfällen zu Zeiten zu erbringen, zu denen eine haus- oder fachärztliche Ver­sorgung nicht stattfindet, dient an sich einem therapeutischen Zweck, da der Kläger sich während des Bereitschaftsdienstes bereithält, um gesundheitliche Gefahrensituationen bei Notfallpatienten zu erkennen, gegebenenfalls sofort entsprechende Maßnahmen einzuleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung in einer Klinik, bei einem Fach- oder Hausarzt si­cherzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz 17; s.a. Urteil des Niedersächsischen FG vom 23.01.2020 ‑ 11 K 186/19, EFG 2020, 561). Auf den Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme des Not­falldienstes durch die Patienten kommt es ‑‑wie allgemein (vgl. EuGH-Urteile Air France - KLM und Hop!-Brit Air vom 23.12.2015 ‑ C‑250/14 und C‑289/14, EU:C:2015:841, Rz 28; Marcandi vom 05.07.2018 ‑ C‑544/16, EU:C:2018:540, Rz 32; rhtb vom 28.11.2024 ‑ C‑622/23, EU:C:2024:994, Rz 17; BFH-Urteile vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz 17; vom 18.12.2019 ‑ XI R 21/18, BFHE 267, 560, BStBl II 2020, 723, Rz 46; vom 13.11.2024 ‑ XI R 5/23, Deutsches Steuerrecht 2025, 903, Rz 39)‑‑ nicht an.

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass allein das Vorhalten medizinischer Ressourcen noch keinem therapeutischen Zweck dient, sondern die Vorausset­zungen für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistun­gen schafft, ohne selbst eine Heilbehandlungsleistung zu sein (vgl. zur entgelt­lichen Überlassung von Operationsräumen an einen Operateur BFH-Urteil vom 18.03.2015 ‑ XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058, Rz 20). Das ist mit der entgeltlichen Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes, bei der sich der übernehmende Arzt gegenüber dem vertretenen Arzt zur Durchführung dieses Dienstes verpflichtet, nicht vergleichbar. Denn der den ärztlichen Not­falldienst leistende Arzt schuldet seine Anwesenheit und ständige Einsatzbe­reitschaft; er schafft nicht nur die Voraussetzung für eine gegebenenfalls er­forderliche Notfallbehandlung, sondern führt sie selbst aus. Die Einbeziehung dieser Tätigkeit in die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steht demnach mit den Zielen im Einklang, die mit dieser Befreiung verfolgt werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz 17).

dd) Das FG weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich der vorliegende Sachver­halt von dem durch den BFH mit Urteil vom 02.08.2018 ‑ V R 37/17 (BFHE 263, 63) zur Steuerfreiheit von notärztlichen Bereitschaftsdiensten bereits ent­schiedenen Fall dadurch unterscheidet, dass der dortige diesen Dienst verse­hende Arzt nicht nur den Veranstaltungsbereich im Vorfeld zu kontrollieren und die Verantwortlichen im Hinblick auf mögliche Gesundheitsgefährdungen zu beraten hatte, sondern während der Veranstaltung bei kontinuierlichen Rundgängen frühzeitig Gefahren und gesundheitliche Probleme der anwesen­den Personen erkennen sollte. Daraus folgt jedoch für die Annahme einer steuerfreien Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG im Streit­fall nichts anderes. Denn auch die vorliegende, nur durch einen Arzt auszufüh­rende Leistung erfolgt zu ‑‑nicht eng verstandenen‑‑ therapeutischen Zwe­cken. Dem Ziel, gesundheitliche Gefahrensituationen bei Notfallpatienten früh­zeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einzuleiten und da­mit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können, dient es ebenso, wenn ein Arzt durch die Übernahme der Vertretung eines anderen Arztes den Notfalldienst selbst auszuüben hat.

ee) Es ist ferner für die leistungsbezogene Voraussetzung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ohne Belang, wenn ‑‑wie es das FG angenommen hat‑‑ der Kläger die in Gestalt einer vertretungsweisen Übernahme eines ärztlichen Not­falldienstes liegende sonstige Leistung gegenüber einem anderen Arzt, der zur Ausführung eines solchen Dienstes ursprünglich eingeteilt und verpflichtet war, erbracht hat. Denn für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG kommt es nicht auf die Person des Leistungsempfängers an (s. dazu unter II.2.a cc). Der Senat kann deshalb offenlassen, ob die Leistung des Klägers gegenüber Patienten, Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen oder an die vom Kläger vertretenen Ärzte als umsatzsteuerrechtliche Leistungsemp­fänger erbracht wurde.

3. Danach sind vorliegend nur die übrigen, im Revisionsverfahren nicht mehr im Streit stehenden Umsätze des Klägers aus Blutentnahmen für die Polizeibe­hörde steuerbar und steuerpflichtig, da diese Leistungen ‑‑wie das FG zutref­fend erkannt hat‑‑ nicht ihrem Hauptzweck nach therapeutischen Zwecken dienten, sondern der Beweiserhebung im Zusammenhang mit einem straf­rechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren. In den Streitjahren 2014, 2015 und 2016 gilt indes ‑‑was zwischen den Beteiligten bei Steuerfrei­heit der Umsätze durch Übernahme der Vertretung der Ärzte im Notfalldienst unstreitig ist‑‑ die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG a.F.

4. Die Sache ist spruchreif. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Der Klage ist im noch beantragten, tenorierten Umfang stattzugeben.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Im Streitfall ist eine Kostenentscheidung nach Verfahrensabschnitten sachge­recht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28.04.2020 ‑ VI R 45/17, BFH/NV 2020, 1053, Rz 26; vom 30.01.2024 ‑ III R 15/23, BFHE 284, 49, Rz 40). Auch diese wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 04.08.2011 ‑ III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 15; vom 30.01.2024 ‑ III R 15/23, BFHE 284, 49, Rz 40). Da der Klä­ger mit seiner Klage nur teilweise obsiegt, sind die Kosten des Klageverfahrens verhältnismäßig zu teilen. Der Kläger hat danach die Kosten des Klageverfah­rens zu … und das FA zu … zu tragen. Da die Revision des Klägers in vol­lem Umfang Erfolg hat, sind die Kosten des Revisionsverfahrens in vollem Um­fang dem FA aufzuerlegen.

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